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‚living-being‘ und ich
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Am 1. April 2019 (kein Scherz) nach dem Mittagessen verliess ich meinen Arbeitsplatz; total erschöpft und müde. Geplant war, mich ein, zwei Tage auszuruhen und dann wieder weiter zu machen wie bisher…
„Nur etwas ausruhen, dann wird’s schon wieder“, dachte es in meinem Kopf. Tiefer in mir lag ein leises Wissen dessen, was wirklich mit mir los war… Burnout; Erschöpfungsdepression. Dies die momentan gängigen Begriffe aus medizinischer Sicht.

In den vergangenen rund elf Monaten hatte ich vor allem etwas; viel Zeit! Diese verbrachte ich in erster Linie damit, mich zu erholen – mir die Unterstützung zu holen, die ich brauchte, um mich wieder wie ein menschliches Wesen (engl. living being) wahr zu nehmen. Es waren lange Monate des Aushaltens, Wartens, Hoffens, der Ungeduld, des immer wieder Ringens um Annahme dessen, was war. Auch Resignation war für eine gewisse Zeit mein fast engster Begleiter. Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen schliesslich wieder abschütteln konnte! Als ich die Kraft und den Willen aufbrachte, mich bewusst auf die therapeutischen Massnahmen von Fachkräften einzulassen, setzte ein langwieriger aber heilsamer Prozess ein.

Mein vermeintliches Wissen darüber, was ich kann, weiss, oder wie mein Morgen aussehen wird, wurde in diesen Monaten zutiefst erschüttert.

Ich bin und ich lebe. Das wurde schliesslich zu meiner einzigen Gewissheit in den Monaten der Genesung. Als ich mich auf dieses Erkennen richtig einlassen konnte, meine Idee von dem, was ich sein und leisten sollte, wollte, schliesslich loslassen konnte, folgte zunächst eine grosse Entspannung und Ruhe. Der Verstand wurde müde vom Fragen und konnte endlich schweigen.
Aus den tiefsten Schichten meines Seins brach dieses Erkennen auf und gab vielem noch mehr Sinn, was ich in meinem bisherigen Leben bereits erfahren hatte; durch eigenes Erleben, durch die Beobachtung der Formen, die das Leben mit sich bringt, durch verschiedene Schriften, durch die Meditation und das Unterwegssein in meiner Spiritualität, der Beziehung zu dem, was ich Gott nenne.

So kann ich heute sagen, dass ich neben der Schwere und dem Leid, die meine Erschöpfung mit sich brachte, noch mehr dazu gelernt habe, über das Leben und das Sein (engl. ‚living and being‘). Herausgeschleudert aus meinem gewohnten Alltagsleben als ‚Leistungserbringerin‘, aus den meisten sozialen Kontakten und Aktivitäten – zumindest vorerst – reduziert auf eine Person, die sich selber keine Struktur mehr geben kann, die bereits durch einfachste alltägliche Situationen eine Überforderung erlebt, die mal fast nur schläft, mal nicht mehr zur Ruhe kommt, deren Körper und Psyche sich durch Schmerzen und allerlei Beschwerden meldet und die gar nicht mehr anders kann, als einfach jeden Tag so zu nehmen, wie er ist. Ich habe das Leben erlebt, als etwas, das ständig im Wandel ist, das zerbrechlich und zugleich unendlich stark sein kann. Es ist für mich ein grosses Mysterium. Und es hat mich schon immer fasziniert. Living-being – Leben und Sein – oder wörtlich übersetzt Lebendes Sein…

Ich möchte dieses Leben und Sein noch mehr wahrnehmen, anstatt es an mir vorüberziehen zu lassen, ich möchte mich darin üben, es in all seinen Formen anzunehmen, anstatt Widerstand gegen es zu leisten, ich möchte es fördern, anstatt es zu hindern. Oder konkreter ausgedrückt: Was dem Leben in mir guttut, das möchte ich mir ermöglichen. Und was dem Leben um mich herum guttut, dazu möchte ich einen Beitrag leisten.
In Workshops und Einzelgesprächen möchte ich Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleiten, sie dabei unterstützen, mit ihrem individuellen Leben und Sein in Verbindung zu kommen und diese Verbindung auch zum Leben und Sein ihres Gegenübers aufzunehmen.

Das Modell der Gewaltfreien Kommunikation, wie es Marshall B. Rosenberg entwickelt hat und mit dem ich mich seit einigen Jahren intensiv befasse, erlebe ich als enorm hilfreich, um zu lernen, meine Wahrnehmung mehr auf das zu lenken, was in mir lebendig ist. Was ich erlebe – im Innen und Aussen meines Seins, können Auslöser für allerlei Gedanken und Gefühle sein. Den Auslöser kann ich oft nicht beeinflussen – wie ich auf diesen reagiere, jedoch schon. Ich gehe davon aus, dass meine innere Bewertung und Interpretation dessen, was ich erlebe mich und mein Handeln mehr beeinflusst, als der Auslöser selbst. Dabei merke ich je länger je mehr, wie mein Denken, das geprägt ist von Urteilen und Wertungen, mich daran hindert, zu erkennen, was ich wirklich brauche und wenn ich das nicht erkenne, kann ich auch nicht dafür besorgt sein, dies zu bekommen.

‚living-being‘ und ich ist ein neues Kapitel in meiner Lebensgeschichte. Es ist voller Gedanken, Ideen, Pläne, Wünsche und vor allem voller Ungewissheit; eine neue Form, wie sich mein Leben und Sein jetzt gerade zeigt. Umfang, Länge und Inhalt der Geschichte kenne ich noch nicht. Sie wird in jedem Moment ‚geschrieben‘. Und sie wird irgendwann zu Ende gehen… was bleiben wird, davon bin ich überzeugt; ist das Leben und das Sein – vielleicht in einer anderen Form.
Zitate
Gestern war ich klug und wollte die Welt verändern; heute bin ich weise und möchte mich verändern
(Rumi)
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Wer einmal sich selbst gefunden hat, kann nichts auf dieser Welt mehr verlieren (Stefan Zweig)
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Du kannst Dein Leben nicht verlängern noch verbreitern, nur vertiefen (Gorch Fock)
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Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen. (Pearl S. Buck)
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